Kanzelabkündigung für den „Israelsonntag“, 24. August 2014

Liebe Schwestern und Brüder,

mit Erschrecken und Ratlosigkeit verfolgen wir in diesen Tagen den Krieg zwischen Israel und der terroristischen Hamas. Auf der einen Seite steht das berechtigte und verständliche Sicherheitsinteresse Israels. Auf der anderen Seite sehen wir, dass eine rein militärische Durchsetzung dieses Sicherheitsinteresses durch Israel den Menschen in Gaza jede Hoffnung und Lebensperspektive raubt und neues Unheil sät. Krieg ist immer Scheitern von Politik. Die tödlichen Folgen tragen die Zivilbevölkerung und die Soldaten.

Am 10. Sonntag nach Trinitatis erinnert die Kirche an die Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 70 n. Chr. Seit diesem Tag hat das Gottesvolk Israel immer wieder schwere Verfolgungen ertragen müssen. Dies geschah gerade durch Christen – bis hin zum Versuch der vollständigen Vernichtung, der vom nationalsozialistischen Deutschland ausging.

Wir müssen darum besonders wachsam sein gegenüber allen Anflügen von Rassismus. Wir haben in den letzten Wochen in unserem Land aus verschiedenen Richtungen offen antisemitische Parolen gehört. Ich möchte Sie ermutigen, darauf besonders zu achten und dem entgegenzutreten. Antisemitismus darf in Deutschland keine neue Heimat finden! Es ist eines, die Politik der Regierung des Staates Israel zu kritisieren. Öffentliche Kritik ist in einem demokratischen Gemeinwesen Teil der politischen Kultur. Aber es ist deutlich antisemitisch, wenn jüdische Menschen herabgesetzt und der jüdische Glaube diffamiert werden, wenn Synagogen beschmiert und jüdische Friedhöfe geschändet werden. Das dürfen wir nicht zulassen!

Lassen Sie uns um Gottes Hilfe bitten, dass er uns mit Kraft, Mut und Fantasie beschenkt, dem Frieden in der Welt zu dienen, indem wir dem Hass keinen Raum geben. Auch wenn heute das Schicksal des jüdischen Volkes besonders im Blick ist: In unsere Fürbitte nehmen wir alle Menschen auf. Das Leid des Krieges kennt, wenn er einmal entfesselt ist, keine Grenzen, keine Nationen und keine Religionen – und am Ende gibt es nur Verlierer. Dem müssen wir, in Gottes Namen und um der Menschen willen, Einhalt gebieten.

Text: Bischof Prof. Dr. Martin Hein, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck