„denn sie hatten keinen Raum in der Herberge…“ (Lukas 2,7b)

Unser Archiv-Foto zeigt Bischof Heinz Josef Algermissen (l.) und Bischof Martin Hein im Haus der Kirche in Kassel. (Bild: medio.tv/Schauderna)

Gemeinsamer Bischofsbrief zur Aufnahme von Flüchtlingen:

Liebe Schwestern und Brüder!

Seit zwei Jahren wütet ein Bürgerkrieg in Syrien, der bereits vielen Menschen das Leben gekostet und Millionen Menschen zur Flucht im Inland und in die Nachbarländer gezwungen hat. Einige von ihnen gelangen bis zu uns nach Deutschland.

Gegenwärtig werden wir Zeugen von schrecklicher Gewalt, die durch die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ im Irak und in Syrien Menschen in Angst und Todesangst versetzt und noch mehr Menschen zur Flucht zwingt. Unter diesem Terror leiden Menschen verschiedener Religionen, ganz besonders aber die Christen. In Landstrichen, in denen das Christentum entstand und die Jahrhunderte von christlicher Kultur geprägt waren, droht das Christentum auszusterben.

Das alles erfüllt uns mit tiefer Sorge. Das Schicksal der verzweifelten Menschen in Syrien und im Irak bewegt nicht nur uns, sondern viele Menschen in unseren Gemeinden. Es fordert uns eindringlich auf, für sie solidarisch einzutreten und ihnen zu helfen, wo immer wir können.

Wir danken allen Gemeindegliedern, die für diese Menschen beten und ihnen auf vielfältige Weise zur Hilfe kommen, sei es durch Spenden für humanitäre Hilfe im Nahen Osten, sei es durch konkrete Hilfe für Flüchtlinge in unserem Land. Wir sind dankbar und beeindruckt, wie viele Gemeindeglieder und Mitarbeiter in Caritas und Diakonie sich für Flüchtlinge einsetzen, sie willkommen heißen, sie begleiten, ihnen ganz konkret und praktisch helfen. Manche unserer Gemeinden wählen auch das letzte Mittel des Kirchenasyls, um Flüchtlingen den zeitlichen Aufschub zu gewähren, ihre rechtlichen Möglichkeiten zur Anerkennung als Flüchtlinge auszuschöpfen. Dafür möchten wir diesen Gemeinden ausdrücklich danken.

Es gehört zu den elementaren Aufgaben der Christen, für verfolgte und gefährdete Menschen einzutreten. Das biblische Gebot, den Fremden zu schützen, findet sich im 3. Buch Mose im 19 Kapitel: „Wenn ein Fremder bei dir lebt in eurem Land, sollt ihr ihn nicht bedrängen. Wie ein Einheimischer soll euch der Fremde gelten, der bei euch lebt.“ Die Bedeutung des Schutzes des Fremden ist in der Geschichte Gottes mit seinem Volk tief verwurzelt: Die Israeliten flohen vor Armut und Unterdrückung durch die Ägypter in die Wüste. Nach vielen Jahren der Wanderung fanden sie schließlich ein neues Zuhause im Land Kanaan. Das Volk Gottes selbst hat Flucht- und Migrationserfahrung.

In der Weihnachtsgeschichte hören wir, dass Maria und Josef auf der Suche nach einer Bleibe abgewiesen wurden und für sie kein „Raum in der Herberge“ war. Später müssen sie gemeinsam mit dem Jesuskind vor der Bedrohung des Herodes nach Ägypten fliehen. Auch der Gottessohn war von Verfolgung und Flucht bedroht.

Der Auftrag Gottes, den Fremden aufzunehmen, findet sich auch in der Verkündigung Jesu. Es ist eines der sieben Werke der Barmherzigkeit, die Jesus in seiner Rede vom Weltgericht nennt: „ Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen“. (Mt 25,35)

Wir rufen deshalb in dieser vorweihnachtlichen Zeit unsere Gemeinden eindringlich auf, in ihrem Gebet wie auch in der tätigen Nächstenliebe für die Flüchtlinge nicht nachzulassen.

Wir bitten die Gemeinden:

  • Betet für die Menschen, die in Syrien und im Irak von Angst, Terror und Tod bedroht sind!
  • Spendet für die Hilfsorganisationen, die ihnen humanitäre Hilfe leisten!
  • Nehmt die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, bei Euch gastfreundlich auf!
  • Steht ihnen bei, wo immer Ihr könnt. Fragt die Flüchtlingsberatungsstellen der Diakonie und der Caritas, wo Hilfe benötigt wird!

Das Evangelium verheißt uns, dass wir im Eintreten für diese Menschen Christus selbst begegnen werden: „Was ihr getan habt einem von diesen geringsten Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40)

Die Bundesregierung bitten wir eindringlich, die Aufnahmekontingente für Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Syrien und im Irak deutlich zu erhöhen. Wir leben in einem wohlhabenden Land, das in der Lage wäre, weit mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als es bisher tut. Das Beispiel des Libanon, der als ein kleines Land mit ca. vier Millionen Einwohnern bereits 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat, zeigt, was andere Länder hier leisten.

Auch in Deutschland sind bereits viele der Erstaufnahmelager mit Flüchtlingen überfüllt. Um noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen, ist nicht nur die Regierung gefordert, sondern jeder Mitbürger und jede Mitbürgerin.

Wir bitten alle Christinnen und Christen hier mit gutem Beispiel voranzugehen und sich von dem urchristlichen Gebot leiten zu lassen, den Fremden zu schützen und aufzunehmen. Helfen Sie mit, dass alle, die noch eine Bleibe suchen, „Raum in der Herberge“ finden!

In herzlicher Verbundenheit

Heinz Josef Algermissen
Bischof von Fulda
Martin Hein
Bischof der Evangelischen Kirche
von Kurhessen-Waldeck